23.10.2010 Roter Stern Belgrad - Partizan Belgrad 0:1
 

Nach einer überaus ermüdenden Woche in der Partnerschule in Lenggries/Bayern war ich ziemlich angeschlagen und anfänglich wenig begeistert, als ich gegen Mittag den Anruf vom Kollegen Veljko bekam, dass die Abfahrt zum Belgrader Stadtderby bereits um 4 Uhr früh erfolgen sollte. Grund war jener, dass das Spiel bereits um 1 Uhr Mittag angepfiffen werden sollte, aufgrund der Vorfälle beim Spiel Italien-Serbien zwei Wochen zuvor.
Beide Fangruppen wurden also genauestens beäugt, und um 1 sollte auch der Alkoholgehalt noch nicht so hoch sein. R sagte für die Tour ab, und wie eingangs erwähnt, aufs frühe Aufstehen hatte ich auch nicht viel Bock. Aber was nimmt man nicht alles in Kauf. Um halb 4 ging es von meiner Wohnung aus per Taxi Richtung Favoriten, wo Vejlko noch am Auto umhantierte - er hatte erst gar nix geschlafen, genauso wenig wie Ilija, der wenig später aus einem Beisl anschlapfte. Dessen Verspätung wurde ihm später noch des öfteren vorgeworfen, denn es wurde ziemlich knapp. Bis zur ungarischen Grenze, und darüber hinaus ging es relativ hurtig dahin, ehe man sich südlich von Budapest ein Frühstück genehmigte. Gegen halb 9, nach etwa 4 Stunden Fahrzeit, war man auch schon an der ungarisch-serbischen Grenze angelangt. Ab da ging dann nicht mehr viel weiter: Wartezeit an der Grenze, sowie größtenteils fehlende Autobahnen in Serbien warf einen dann zeitmäßig ziemlich zurück. Gegen 11 kamen wir dann in Temnerin, der Heimatstadt des Kollegen an, eine kleine Stadt in der Nähe von Novi Sad. Nach Bier, Schnaps (jo bist du gscheit, die Selberbrannten) und auch etwas Essen bei seiner Family ging es dann weiter nach Belgrad. Das Auto wurde etwas außerhalb des Zentrums abgestellt - das ist auch sehr ratsam bei einem Wiener Kennzeichen. 10 vor eins war es bereits, und von einem Taxi weit und breit nix zu sehen. Schließlich wurde doch eins ausfindig gemacht, und mir wurde befohlen, den 1mund zu halten, da man als quasi Ausländer ziemlich genommen wird. Der Taxler war allerdings schwersten auf unserer Seite und brauste im Rekordtempo zum Marakana. In der Nähe ausgestiegen, die letzten Meter - vorbei an Hundertschaften Polizisten - laufend zurück gelegt.. Beim Eingang trafen wir dann noch Michele, der 4 Tickets besorgt hatte. Außerdem wurde ich vorm Betreten gleich mal ein Kilo Kleingeld los, ich hatte blöderweise vergessen, die etwa 25 Euro in den Rucksack zu werfen. Zu deppert! Wir befanden uns auf der Haupttribüne, links hinter dem Tor die Anhänger von Svezda, rechts die Grobari von Partizan. Wie bereits erwähnt: sollten sich beide Gruppen, auch nur den geringsten Unfug leisten, drohte die UEFA mit dem Ausschluss sämtlicher serbischer Vereine aus Europa und Champions League, sowie aus der Euro Qualigruppe. Somit spielte sich auch dementsprechend wenig ab, ähnlich wie voriges Jahr bei Hajduk-Dinamo, als ja die Split Fans streikten. Normalerweise fliegen da einem die Bengalen und sonstiges nur so um die Ohren, gibt es Platzstürme und Boxereien en masse - doch dieses mal benahmen sie sich gesittet.
Was nicht heißt, dass es leise war. Denn bei dem Scheiß, den beide Mannschaften über 90 Minuten boten, war der Support Weltklasse. Extreme Lautstärke - und Pöbeleien zwischen den Sektoren. Also, ein gewisser Nervenkitzel lag schon in der Luft. Immer wieder das Rotoren von Polizeihubschraubern (ist draußen was los?), mehrere Staffeln Polizisten um das ganze Spielfeld herum. Ausnahmezustand! Bereits Tage zuvor war dieses Spiel Thema in jeder serbischen Fernsehsendung! Und dann ließ das Spiel so zu wünschen übrig! Wir saßen kaum, da schlug es auch schon im Gehäuse der Heimmannschaft ein: Partizan traf zum 1:0, hysterische Jubelausbrüche in deren Sektor, sofort mit übelsten Schimpftiraden geantwortet. Mir wurde weiterhin geraten, nicht Deutsch zusprechen. Schon seltsam, aber wie gesagt, auch Nervenkitzel vermischt mit einer gewissen Müdigkeit, eine Droge für jeden Groundhopper! Das Spiel selber schlief immer mehr ein, Roter Stern konnte nach vorne kaum Druck aufbauen. Die einzige Chance für die Heimmannschaft entstand durch ein Fast-Eigentor eines Schwarz Weißen.
Es bleib also beim 1:0! Beim anschließenden Marsch Richtung Innenstadt, sah man das ganze Ausmaß der Belagerung Belgrads: am jedem neuralgischen Punkt Dutzende Bullen - in der ganzen Stadt waren laut TV 3.000 verteilt. Es kam aber zu keinen nennenswerten Ausschreitungen. Belgrad ist nicht nur vom Fußball her eine Reise wert, die Stadt ist wirklich sehenswert, und so wurde bis zum späteren Abend Sightseeing betrieben, ehe es nach Temerin zurück ging, wo der Vater vom Veljko eine Grillerei aufwartete, die a la boneur war, wie dieser Schnaps. Gegen eins ging es dann endlich in die wohlverdiente Nachtruhe.